Nicht der Arzt heilt, sondern die Natur. Der Arzt kann nur ihr getreuer Diener und Helfer sein. Er wird von ihr, niemals aber die Natur von ihm lernen.

(Hippokrates von Kós, 460 – etwa 377 v. Chr.) 

Im Jahr 2010 legte die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz in direkter Nähe zum noch erhaltenen Refektorium des ehemaligen Benediktinerklosters einen Heil- und Gewürzpflanzengarten an.

Basierend auf historischen Vorlagen präsentieren sich hier die unterschiedlichsten Arznei- und Gewürzpflanzen in verschieden großen Beeten, umgeben von Rasen als ruhebringendem Gestaltungsmittel.

Kultiviert werden Pflanzen, die schon im Mittelalter in den Klostergärten zu finden waren und deren heilende Wirkung auch damals schon bekannt war. Neben Wildkräutern wie Johanniskraut, Beifuß oder Schafgarbe wachsen hier ebenfalls bekannte Küchenkräuter wie Bohnenkraut, Petersilie und Schnittlauch und Arzneipflanzen, die auch heute noch in der Medizin verwendet werden (z. B. Baldrian, Mariendistel, Mutterkraut).

Die Geschichte der Arzneipflanzen und deren Inhaltsstoffe ist so alt wie die menschliche Kultur. In der Bibel werden zahlreiche orientalische Düfte und Räucherharze erwähnt wie z. B. Weihrauch und Myrrhe. Auch geht aus archäologischen Funden hervor, dass bereits in der Steinzeit wohlriechende Harze und Hölzer verbrannt wurden, um bei sakralen Handlungen das Wohlgefallen der Götter zu erreichen. Ebenfalls sind bei archäologischen Grabungen in Persien Gefäße gefunden worden, die darauf schließen lassen, dass bereits 3000 v. Chr. die Technik der Destillation zur Gewinnung der Inhaltsstoffe der Heil- und Gewürzpflanzen  im Prinzip bekannt war.

Aber auch zur Aromatisierung von Lebensmitteln wurden, sei es zum Marinieren von Fleisch, beim Würzen von Soßen, oder beim Braten Kochen und Backen, seit Menschengedenken Rauch und Gewürze verwendet.

Im Mittelalter nahm der klösterliche Kräutergarten  eine wichtige Stellung ein, lieferte er doch die Heilpflanzen für die Apotheke und versorgte gleichzeitig die Küche mit Gewürzen und Kräutern.

Die Fortschritte in der Heilkunde wurden in dieser Zeit wesentlich von Nonnen und Mönchen geprägt. Genannt sei hier Benedict von Nursia (480-547), der in seinen Ordensregeln der Fürsorge und Pflege der Kranken eine zentrale Rolle zuordnete. Auf Grund dessen spielten die Klostergärten, in denen eine Vielzahl von Arznei- und Gewürzpflanzen kultiviert wurden, bei der Entwicklung der Heilkunde eine große Rolle und haben in der Geschichte der Medizin, der Pharmazie und der Gewinnung der Inhaltsstoffe eine große Bedeutung.

Lernet die Eigenschaften der Kräuter und die Mischungen der Arznei kennen…

schrieb schon der Benediktiner

 Flavius Magnus Aurelius Cassidorus (um 485-583)

in seinem Werk „Institutiones“.

Der Kräutergarten am Kaiserdom ist als Lehrgarten für Schülerinnen und Schüler konzipiert, die im Rahmen des „Außerschulischen Lernortes Kaiserdom“ für einen Vormittag auf den Spuren der ehemaligen Benediktinermönche wandeln möchten und deren Arbeit im Kräutergarten und in der Klosterapotheke kennen lernen wollen.

Schulunterricht muss nicht immer auf den Klassenraum beschränkt sein. Besuche Außerschulischer Lernorte können von vielfältigem, pädagogisch-didaktischem Nutzen sein und können gezielt alltägliche und lebensweltliche Phänomene in den Unterricht integrieren. Eine allgemeine Alltagsorientierung findet sich z. B. in Unterrichtskonzepten der Fächer Chemie und Biologie wieder, die nicht nur Fach- und Sachwissen vermitteln, sondern auch eine Bedeutung für das tägliche Leben aufweisen.

Ziel der Workshops soll sein durch naturnahe Erfahrungen (im Kräutergarten) ein Bewusstsein für Naturphänome und –prozesse zu entwickeln, den Bogen zu schlagen zwischen Natur, Biologie und Chemie durch weiterführende praxisbezogene Experimente bzw. durch handlungs- und erlebnisorientierte Aktivitäten.

Die Workshops „Kräutergarten und Klosterheilkunde“ und „Wo kommt das Aroma her?“ wurden entwickelt, um Jugendliche für die Natur und die dort ablaufenden Prozesse zu sensibilisieren und gleichzeitig die Akzeptanz und das Verständnis für die Fächer Chemie, Biologie und auch im weitesten Sinn für das Fach Mathematik zu stärken.

Im Rahmen dieses Projekts setzen sich die Schülerinnen  und Schüler  mit einigen ausgesuchten Gewürz- und Arzneipflanzen (Salbei, Pfefferminze, Zitronenmelisse, Lavendel, Rosmarin, Schnittlauch, Petersilie, Kerbel, Bohnenkraut) und deren unterschiedliche Verwendung auseinander. Viele dieser Pflanzen begegnen ihnen im täglichen Leben ohne dass es ihnen bewusst ist. z. B. als Arznei (Hustenbonbons, Magentee), in der Küche als Gewürz, bei der täglichen Körperpflege (Pfefferminze in Zahnpasta oder Mundspülung) oder als Parfüm. Dabei spielen die Darreichungsform, der Geschmack, der Duft und die Wirkweise der einzelnen Produkte eine große Rolle.

Die Schülerinnen und Schüler arbeiten in kleinen Gruppen und führen selbständig Experimente durch. Anhand von weiterführenden Versuchen beschäftigen sie sich mit Fragen der Gewinnung des ätherischen Öls aus den Pflanzen des Kräutergartens, dessen chemische Beschaffenheit und deren Weiterverarbeitung zu Arzneimitteln wie auch zu Lebensmitteln.

Die Workshops sind fächerübergreifend aufgebaut unter Berücksichtigung sowohl naturwissenschaftlicher, historischer Aspekte als auch lehrplanrelevanter Unterrichtsinhalte.

An konkreten Beispielen beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler dabei mit Naturphänomenen und unterschiedlichen Techniken und entwickeln so schrittweise die ebenfalls im Lehrplan geforderten Qualifikationen und Kompetenzen wie miteinander umgehen, sich in Zeit und Raum orientieren, beobachten, analysieren, beschreiben und auswerten.