So wird aus dem Kaiserdom Königslutter ein Klassenzimmer

Braunschweiger Zeitung, 05.09.2020

Die Kandidaten.  Seit zehn Jahren gibt es den außerschulischen Lernort. Dahinter steckt ein hoch engagiertes Team.

Von Sebahat Arifi

Königslutter. Der Freudenschrei am Telefon war groß. Als wir Christine Jahn darüber informieren, dass das Team vom außerschulischen Lernort Kaiserdom Königslutter für den Gemeinsam-Preis nominiert ist, kann sie es nicht fassen: „Das ist ja toll! Was für eine Anerkennung!“ Birgit Heinz zeigt sich in ihrer ersten Reaktion ebenfalls mehr als erfreut – auch wenn ihr Freudenschrei am Telefon nicht ganz so laut ist, wie der ihrer Teamkollegin.

Sie gehören zum hoch motivierten Team des Außerschulischen Lernorts Königslutter Foto: Sebahat Arifi

Die beiden sind die Projektleiterinnen des außergewöhnlichen außerschulischen Lernorts und koordinieren ein derzeit elfköpfiges Team, das verlässlich Workshops und Projekttage für Schüler anbietet. Das aus einer Kirche mit großer Historie und Bedeutung ein lebendiges Klassenzimmer macht. Plötzlich können sie hautnah erleben, wie so ein Mönchs-Alltag gewesen sein muss. Sie versuchen sich selbst in Schablonenmalerei und bekommen ein Gefühl dafür, wie August Essenwein den Innenraum ausmalen ließ. Im eigens wieder angelegten Kräutergarten lernen sie, welche Arzneipflanzen im Mittelalter wofür genutzt wurden, um sie dann später in den angrenzenden Seminarräumen selbst zu Salben oder Tees zu verarbeiten. Wie bekommt man überhaupt die ätherischen Öle aus den Blättern?

Kunst, Kreativität, Historisches, Religiöses, Musikalisches, Architektonisches – all das und viel mehr können die Schüler in einer besonderen Umgebung erfahren, nämlich in einem der bedeutendsten romanischen Bauwerke Deutschlands, dessen Grundstein Kaiser Lothar III. 1135 gelegt hat. Und genau das ist eine Motivation des Teams des außerschulischen Lernorts: Sie wollen die Identität der jungen Menschen mit einem Stück Heimat stärken. Ihrer Heimat „Es ist ein Geschenk, das wir hier haben“, steht für Christine Jahn fest. Birgit Heinz pflichtet ihr bei: „Es ist schön, wenn man die Kinder erreicht.“

In diesem Jahr feierte der außerschulische Lernort am Kaiserdom sein zehnjähriges Bestehen. Angefangen hat es mit der Ausbildung der Domführer, die sich für den nach jahrelanger Restaurierung wiedereröffneten Dom zusammengefunden haben. Bildung direkt vor Ort anzubieten, fußte damals federführend auf der Idee von Lehrer Matthias Metzner. Birgit Heinz und Christine Jahn waren von Anfang an dabei, ganz unabhängig voneinander. Heinz mit ihrem Traum, den Kräutergarten wieder zu beleben, Jahn mit der Idee, die Schablonenmalerei in Kursen weiterzugeben.

Die Entwicklung des Projekts war rasant, und die Zahlen machen deutlich, was sich in diesen zehn Jahren durch das Engagement der Ehrenamtlichen aufgebaut hat. Alleine elf Kurse bietet das heutige Team an, dazu Projekttage und weitere Aktionen. So wie den Gospelworkshop gemeinsam für Grundschüler und Gymnasiasten, der letztes Jahr zum ersten Mal stattfand und mit einem Konzert im Dom endete.

Jährlich kommen 1000 Schüler zum außerschulischen Lernort, insgesamt waren es also mittlerweile etwa 10.000. Auch der Einzugskreis hat sich vergrößert. Außerhalb Königslutters und Helmstedts melden sich Schulen aus Wolfsburg, Braunschweig, Peine, Wolfenbüttel und Sachsen-Anhalt an. Doch auf dem Erfolg ruht sich das Team nicht aus. Die Mitglieder entwickeln die Konzepte immer weiter und bringen Ideen ein, damit es immer wieder etwas Spannendes und Neues für die Schüler zu entdecken gibt. Darauf können sich alle verlassen.